Andrea Saemann, im Interview mit Muda Mathis, Chris Regn im Pfefferle Haus, Geschinen, Goms. Videostills aus dem Interview
Andrea Saemann, im Interview mit Muda Mathis, Chris Regn im Pfefferle Haus, Geschinen, Goms. Videostills aus dem Interview
Andrea Saemann, im Interview mit Muda Mathis, Chris Regn im Pfefferle Haus, Geschinen, Goms. Videostills aus dem Interview
Die folgenden Gespräche sind in schriftdeutsch geführt worden, enthalten aber schweizerdeutsche Zitate. Hier geht es zu einem Dokument mit den Übersetzungen ▾ PDF
Text zur Arbeit von Andrea Saemann von Muda Mathis
Andrea Saemann hat was zu erzählen und wenn sie das tut, dann weiss sie, von was sie spricht. Wenn sie die Performance beginnt, ist sie vorbereitet, hat gründlich recherchiert, nachgedacht und die offenen Enden herausgeschält.
Wenn Andrea Saemann performt, dann spricht sie – und wenn nicht, ist es die Ausnahme – denn Sprechen ist ihr Hauptmedium. Sie erzählt – dem Publikum und sich selbst gleichermassen – über das, was sie zu ihrem gestellten Thema tagelang, bei gewissen Projekten auch über Jahre zusammengetragen, gelesen, erfragt, herausgefunden, zusammengefügt, geordnet und erkannt hat. Die Inhalte ihrer Performances bestehen aus den Themenfeldern, über die sie vertieft mehr wissen will. Es ist eine Suche, eine Aneignung, ein Sich-Füllen und Sich-Vertiefen, das sie mit uns teilt. Ihre Performances sind grosse Sprachwolken, geballte radikal subjektive Erzählungen – reine Erinnerungsimprovisation. Ein gedanklich gefasster Plan ist ihr Skript, die Struktur oft inspiriert von mathematischen Gliederungen und von Gegenständen und Anhaltspunkten im realen Aufführungsraum.
Sie ist konzentriert. Sie horcht und schaut in sich rein, als befände sie sich in einem imaginären Raum. Als physischer Akt, so scheint es, holt sie die Worte aus dem Inneren heraus, als wäre ihr Vorstellungsraum ein physischer Raum und die Worte wären auch physisch. Als wäre das Verbalisieren ein bildhauerischer Akt. Das in Worte fassen der Gedanken eine Simultanübersetzung von einer Sprache in eine andere. Von einem Zustand in den Anderen. Ein Kraftakt, der Gesten und Mimik braucht und das Gehen und Deuten im Raum ebenso. Sie zeichnet und hantiert sprechend im spärlich bestückten Raum. Plötzliches Stocken in der Stimme, Innehalten. Mit deutlicher Diktion spricht sie unfertige Sätze, die wir als Zuhörende ganz selbstverständlich fertig denken. Wir verstehen, was sie sagt. Wir folgen der Erzählung. Andrea Saemann ist in Fahrt, sie ist im Sprachfluss, die Stimme wird lauter, artikuliert unter Druck. Die Luft ist von emotionaler Dringlichkeit und Bewegtheit, vom zeitgleichen Durchleben des Gesagten, erfüllt. Wir sind ganz gebannt von dem, was da erzählt wird. Wir sind im gleichen Raum, im selben Erzählraum, das, was Narration kann, kann Andrea Saemann eben auch – alle Zuschauer mitnehmen in den Sog der Erzählung. So kann Andrea Saemann lange Vorträge halten, komplexe Sachverhalte schildern, Fakten und historische Daten und ihre Quintessenzen darlegen.
Trotz Ernsthaftigkeit, vertieftem humanistischem Wissen und grosser offenbarender Subjektivität ist viel Eigensinn, Übertreibung, Humor und Sinn für Show dabei. Zum Glück ist Andrea Saemann keine Puristin.
Episode 1
Welche Künste inspirieren deine performative Praxis
Mit drei Audioausschnitten aus der Performance das hanich miär scho immer gwünscht, die 2019 anlässlich des «Freundschaftsabends auf querer Bühne» im im Humbug Basel aufgeführt wurde
Freitag, 13.12.2019, 20 Uhr. Andrea Saemann, «das hanich miär scho immer gwünscht» anlässlich des «Freundschaftsabends auf querer Bühne», Humbug, Klybeck Areal, Basel. Fotos: Nicole Boillat
Freitag, 13.12.2019, 20 Uhr. Andrea Saemann, «das hanich miär scho immer gwünscht» anlässlich des «Freundschaftsabends auf querer Bühne», Humbug, Klybeck Areal, Basel. Fotos: Nicole Boillat
Freitag, 13.12.2019, 20 Uhr. Andrea Saemann, «das hanich miär scho immer gwünscht» anlässlich des «Freundschaftsabends auf querer Bühne», Humbug, Klybeck Areal, Basel. Fotos: Nicole Boillat
Freitag, 13.12.2019, 20 Uhr. Andrea Saemann, «das hanich miär scho immer gwünscht» anlässlich des «Freundschaftsabends auf querer Bühne», Humbug, Klybeck Areal, Basel. Fotos: Nicole Boillat
Episode 2
Brabbeln
Mit einem Audioausschnitt aus der Performance wie eine Frau has a cow… a lovestory, die zusammen mit Pascale Grau von 1989 im Vorwerkstift Hamburg aufgeführt wurde
1989. Pascale Grau, Andrea Saemann, «Wie eine Frau has a cow», Vorwerkstift, Hamburg. Foto: Johannes Hebedanz
Episode 3
Andrea Saemanns Liebe zu Zahlen und ihr Zugang zu Erzählung und Geschichte
Mit einem Audioausschnitt aus der Generation Gap Performance Mit Primzahlen – Performance dank Esther Ferrer, die 2007 im Kaskadenkondensator Basel aufgeführt wurde, und mit zwei Audioausschnitten aus der Performance Wie eine Frau has a cow, 1989 mit Pascale Grau im Vorwerkstift Hamburg
24.5.2013. Andrea Saemann, «mit Primzahlen – Performance dank Esther Ferrer», anlässlich Locus Metropol, La Kunsthalle, Mulhouse. Foto: Dagmar Reichert
1994. Andrea Saemann mit B.J.Blume und Marina Abramović, «Die Schwelle», Diplomabschluss an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Foto: Studienkollege
Episode 4
Landen im schweizerdeutsch
Andrea Saemann bringt ihr Handwerkszeug aus dem Kunststudium in Hamburg und die psychologische Gegenständlichkeit der Dinge dank Fritz Heubach mit in die Schweiz
Mit zwei Audioausschnitten aus der Performance Schlüsselreize, die zwischen 1996 und 1999 in der deutschsprachigen Schweiz und auch im Ausland gezeigt wurde
1996. Andrea Saemann, «Schlüsselreize», Kunsthalle Basel
Episode 5
Übersetzungen und Aneignungen
Mit zwei Audioausschnitten aus der Performance 3 × 3, die 1999 zusammen mit Simone Kurz und Pascale Grau in der o.T. Raum für aktuelle Kunst in Luzern aufgeführt wurde
1996. Simone Kurz, Pascale Grau, Andrea Saemann, «3×3», Foto: the artists
Episode 6
Techniken des Erzählens, Bauplatzanalyse
Mit einem Audioausschnitt aus der Performance Terminator, die 2000 anlässlich einer Einladung des Kunstkredits im Kino Movie in Basel aufgeführt wurde
2000. Andrea Saemann, «Terminator», anlässlich der NRW-Performancetage: Düsseldorf, Köln, Münster, Essen, Zeche Carl, Essen. Foto: Ruedi Schill
Episode 7
Für Geschichte ein Gefühl haben:
Forschung mit Nagelhäutchen und Teppichmesser
Mit zwei Audioausschnitten aus dem Song Cloud, der 2009 zusammen mit Chris Regn zur Arbeitsweise von Carolee Schneemann und Joan Jonas entwickelt und anlässlich der «schwitzenden Löwin» in der Kaserne Basel performt wurde
Und zwei weiteren Audioausschnitten aus der Performance Saga Performance …remote…control…, Performance dank Valie Export, die 2003 im [plug.in] in Basel gezeigt wurde
23.1.2003. Andrea Saemann: «…remote…control…», Performance dank Valie Export, [plug.in], Basel. Fotos: Wolfgang Hockenjos
23.1.2003. Andrea Saemann: «…remote…control…», Performance dank Valie Export, [plug.in], Basel. Fotos: Wolfgang Hockenjos
Episode 8
Verankerung des Abstrakten im Körper
Das radikal subjektive im Werk von Andrea Saemann
Mit einem Audioausschnitt aus der Performance Saga Performance Angel M – Performance dank Ulrike Rosenbach, die 2009 anlässlich der Ausstellung «re.act feminism» in der Akademie der Künste in Berlin gezeigt wurde.
einem weiteren Audioausschnitt aus der Performance red thread (II), die 2013 am Festivals «Locus Metropol» im Kaskadenkondensator Basel stattfand
und einem dritten Audioausschnitt aus der Performance Madonna mit Äffchen, die 2006 in der Ausstellung von Monika Dillier in der Frauenpraxis Paradies in Binningen aufgeführt wurde
Freitag, 23.1.2009. Andrea Saemann, «Angel M – Performance dank Ulrike Rosenbach», anlässlich re.act feminism – performancekunst der 1960er & 1970er jahre bis heute, Akademie der Künste, Berlin. Foto: Jan Stradtmann
Episode 9
Zusammenarbeit: Das private ist politisch
Mit einem Audioausschnitt aus der Performance Angel M – dank Ulrike Rosenbach, die 2009, die anlässlich der Ausstellung «re.act feminism» in der Akademie der Künste in Berlin gezeigt wurde, und einem zweiten Audioausschnitt aus der Performance Lodypop, die 2009 in Zusammenarbeit mit Lena Eriksson für die Ausstellung «I need you» im Centre PasquArt Biel entwickelt und aufgeführt wurde
15.8.2004. Lena Eriksson, Andrea Saemann, «Lodpyop», Marcel Forrer (Musik), anlässlich von I need you, Centre PasquArt, Biel. Fotos: Muriel Uttinger
15.8.2004. Lena Eriksson, Andrea Saemann, «Lodpyop», Marcel Forrer (Musik), anlässlich von I need you, Centre PasquArt, Biel. Fotos: Muriel Uttinger
Episode 10
Als Expertin die in die Fremde gehen
Mit zwei Audioausschnitten aus der Performance Saga Performance Saemann meets Schneemann, die 2005 im Kunstraum Ausland in Berlin aufgeführt wurde
18.6.2006. «Saemann meets Schneemann», Performance dank Carolee Schneemann, Momentum Festival Brüssel. Foto: Christiane Schmidt
30.7.2005. «Saemann meets Schneemann», Performance dank Carolee Schneemann, [plug.in], Basel. Foto: Yam Yvonne Mühleis
18.6.2006. «Saemann meets Schneemann», Performance dank Carolee Schneemann, Momentum Festival Brüssel. Foto: Christiane Schmidt
14.11.2004. «Saemann meets Schneemann», Performance dank Carolee Schneemann, Bildwechsel in Berlin, Ausland, Berlin. Foto: Lena Eriksson
Episode 11
Vergrösserungen und Gelegenheiten andere wörtlich zu nehmen
Mit einem Audioausschnitt aus der Performance Der Schemel, die 2016 für den Anlass «Tskaltubo Hot Pots im Ungefähr» im Kaskadenkondensator in Basel gezeigt wurde, und einem zweiten Audioausschnitt aus der Performance Baila en 9 pasos, die 2018 anlässlich der Ausstellung «Zonas Reflejas» von Mónica Giron in der Galerie Barro in Buenos Aires gezeigt wurde
16.11.2018. Andrea Saemann, «der Schemel», anlässlich «Tskaltubo Hot Pots im Ungefähr», Kaskadenkondensator Basel. Foto: Nic Bezemer
16.11.2018. Andrea Saemann, «der Schemel», anlässlich «Tskaltubo Hot Pots im Ungefähr», Kaskadenkondensator Basel. Foto: Nic Bezemer
16.11.2018. Andrea Saemann, «der Schemel», anlässlich «Tskaltubo Hot Pots im Ungefähr», Kaskadenkondensator Basel. Foto: Nic Bezemer
22.11.2018. Andrea Saemann, «Baila en 9 pasos», Performance in der Ausstellung von Mónica Giron, «Zonas Reflejas», BARRO – Galerie für zeitgenössische Kunst, Buenos Aires, Argentina. Foto: Isabel Peña
22.11.2018. Andrea Saemann, «Baila en 9 pasos», Performance in der Ausstellung von Mónica Giron, «Zonas Reflejas», BARRO – Galerie für zeitgenössische Kunst, Buenos Aires, Argentina. Foto: Isabel Peña
22.11.2018. Andrea Saemann, «Baila en 9 pasos», Performance in der Ausstellung von Mónica Giron, «Zonas Reflejas», BARRO – Galerie für zeitgenössische Kunst, Buenos Aires, Argentina. Foto: Isabel Peña
Episode 12
Das Narrativ: Generation Gap und Performance Saga
Mit einem Audioausschnitt aus der Performance Saga Performance liberty_2, Performance dank Regula Huegli & Valie Export, die 2002 mit Markus Schwander und Regula Huegli anlässlich der «Transformance, Regionale 02» im Kunstmuseum Basel aufgeführt wurde
12.12.2002. Andrea Saemann mit Markus Schwander und Regula Huegli, «liberty 2 – Performance dank Regula Huegli, Transformance, Regionale 02, Kunstmuseum Basel. Fotos: Giancosimo Bove
12.12.2002. Andrea Saemann mit Markus Schwander und Regula Huegli, «liberty 2 – Performance dank Regula Huegli, Transformance, Regionale 02, Kunstmuseum Basel. Fotos: Giancosimo Bove